Schlag mit der Vase auf den Kopf − ein Arbeitsunfall?

Inwieweit der gesetzliche Unfallschutz greift, wenn eine Person, die zum Beispiel für einen Angehörigen oder eine andere Person eine ehrenamtliche Betreuung übernommen hat und von dem Betreuenden verletzt wird, verdeutlicht ein Gerichtsurteil.

21.10.2024 (verpd) Wird ein ehrenamtlich tätiger Betreuer eines pflegebedürftigen Familienangehörigen von diesem verletzt, hat er in der Regel einen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Das hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt mit einem jüngst veröffentlichten Urteil entschieden (L 6 U 19/23).

Ein Vater war als ehrenamtlicher Betreuer seines 38-jährigen geistig behinderten Sohnes vom Betreuungsgericht bestellt worden. Er und sein Sohn lebten in derselben Wohnung. Weil das Zimmer des Jüngeren von Schimmel befallen war und ein Bausachverständiger den Schaden begutachten sollte, kam es zwischen beiden Männern zu einem heftigen Streit. Der Vater versuchte seinen Sohn nicht nur dazu zu überreden, die Besichtigung zu dulden.

Er hielt ihn auch dazu an, seine Lego-Steine zur Seite zu räumen, damit sich der Sachverständige die Schäden ansehen konnte. Das führte dazu, dass sich der Sohn grollend in sein Zimmer zurückzog. Wenig später schlug er von innen wutentbrannt mit einem Hammer die Zimmertür ein. Damit war die Sache aber noch nicht ausgestanden. Denn als der Vater die Telefonnummer des Notrufs wählte, um einen Notarzt und die Polizei zu Hilfe zu rufen, schlug ihm sein Sohn eine Vase auf den Kopf.

Keine unfallversicherte Tätigkeit eines Betreuers?

Wegen der Folgen der dadurch verursachten Verletzungen wollte der Mann Leistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung bei der zuständigen Berufsgenossenschaft in Anspruch nehmen. Denn schließlich würden auch ehrenamtliche Betreuer als versicherte Personen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen.

Dem hielt die Berufsgenossenschaft entgegen, dass sich der Vorfall nicht bei einer versicherten Tätigkeit ereignet habe. Denn dass Eltern ihre Kinder dazu anhalten würden, ihr Zimmer aufzuräumen, gehöre zum Familienalltag und nicht zu einer unfallversicherten Tätigkeit eines Betreuers.

Teil der Pflegetätigkeit

Dieser Argumentation schloss sich das schließlich mit dem Fall befasste Landessozialgericht Sachsen-Anhalt nicht an. Es gab der Klage des Vaters gegen die Berufsgenossenschaft auf Anerkennung des Vorfalls als Arbeitsunfall statt.

Nach Ansicht der Richter beschränkt sich auch die Betreuungstätigkeit durch Angehörige nicht nur auf die Vornahme von Rechtsgeschäften. Zu ihr gehörte unter anderem auch die Fürsorge für die Gesundheit des Betreuten.

In dem entschiedenen Fall sei der Kläger der Gefahr, mit einer Vase angegriffen zu werden, nicht nur deshalb ausgesetzt gewesen, weil er mit seinem Sohn in einem Haushalt gelebt habe. Zur Gefährdung trug bei, dass er den Notruf wählte, um unter anderem ärztliche Hilfe für seinen Sohn herbeizurufen.

Der Vorfall sei daher ein Teil der klägerischen Tätigkeit als Betreuer im Bereich der Gesundheitsfürsorge gewesen. Das aber bedeute, dass die Berufsgenossenschaft den Vorfall als Arbeitsunfall des Klägers anerkennen müsse.

Kein gesetzlicher Rundumschutz

Welcher gesetzliche Unfallversicherungsträger zuständig ist, hängt übrigens von den Umständen des Einzelfalls ab und kann direkt telefonisch bei der kostenlosen Hotline (Telefonnummer 0800 6050404) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV) erfragt werden.

Prinzipiell sind die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, die im Versicherungsfall unter anderen ein ehrenamtlicher Betreuer erhält, die gleichen, als wenn ein Berufstätiger einen Arbeitsunfall erlitten hätte. Je nachdem werden die Kosten für die medizinische Versorgung und eventuell notwendige Rehabilitation übernommen.

Im Falle einer Erwerbsminderung wird eine Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit und, sollte der Helfer zu Tode gekommen sein, unter anderem eine Hinterbliebenenrente bezahlt. Allerdings reichen die gesetzlichen Unfallleistungen bei versicherten Personen, die aufgrund erlittener Verletzungen dauerhafte Folgeschäden erleiden, oft nicht aus, um die dadurch verursachten möglichen Mehrkosten und Einkommensverluste abzudecken.

Unter anderem können beispielsweise Kosten für einen invaliditätsbedingten Hausumbau oder auch Einkommensverluste, die man durch eine dauerhafte Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit erleidet, anfallen. Um auch in diesen Fällen finanziell abgesichert zu sein, bietet die private Versicherungswirtschaft diverse Vorsorgelösungen wie eine private Berufsunfähigkeitsversicherung an. Der Versicherungsvermittler berät auf Wunsch gerne, welche Lösung individuell sinnvoll ist.